Presse
Trend

Integration eins zu eins und als Filmstoff

Dokumentarfilmer Hüseyin Akin führte auch beim Migranten-Wahlerfolg der SP Regie

Migranten-Wahlerfolg der SP Regie

TIMM EUGSTER, BaZ

Hüseyin Akin integriert: Der Filmemacher baut Brücken zwischen Zugewanderten und Einheimischen, Linken und Rechten. Und manchmal eckt er an.

Seine Vision heisst Integration. Er hat sie zu Beruf und Berufung gemacht, lange bevor Basel-Stadt eine Abteilung im Sicherheitsdepartement damit beauftragte. Fast alle seine Dokumentarfilme handeln vom Zusammen- und Nichtzusammenleben zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Die Botschaft: Die Menschen sollen aufeinander zugehen – wie er es selbst tut mit seiner offenen Art. «Die Schweizer müssen begreifen, dass wir Zugewanderten ihnen nichts wegnehmen», sagt Hüseyin Akin (44), der als Sohn tscherkessischer Eltern in Istanbul aufgewachsen ist und seit über zwanzig Jahren in Basel lebt. «Und die Migranten sollen sich nicht nur mit den Füssen in Basel aufhalten und mit den Gedanken in ihrem Herkunftsland sein, sondern auch mit den Köpfen hier ankommen.»

Seine Filme heissen «Küçük Basel» («Kleinbasel», 1995) oder «Kinder im Bläsi» und «Die Hoffnung» – eine Fortsetzungsgeschichte über eine Primarklasse aus Kindern unterschiedlichster Herkunft 1996 und was aus ihnen 2004 geworden ist. Auch erhielt er den Auftrag für den offiziellen Begrüssungsfilm für Neuzuzüger (2001).

Vernetzt und akzeptiert. Akin ist integriert. Besser als die meisten in Basel Geborenen. Er ist mit der gesamten Basler Linken vernetzt und hat schon vor zehn Jahren mit Begegnungsprojekten bleibenden Eindruck bei Kleinbasler Gewerbekreisen aus dem Umfeld der IGK hinterlassen, wie sich Ehrenpräsident Peter Villiger erinnert: «Ein gefitzter Kerl, der uns aufzeigte, dass es möglich ist, friedlich nebeneinander zu leben.»

Für gewisse Linke sei er damals ein Verräter gewesen, lacht Akin, der Macher ohne Berührungsängste, der als langjähriges SP-Mitglied auch immer wieder den Kontakt zu bürgerlichen Politikern und Regierungsräten sucht. Jörg Schild hatte bereits einen prominenten Auftritt in einem Dokumentarfilm und hielt die Ansprache an der Premiere. «Bei meinem nächsten Projekt – meinem ersten Spielfilm – treten sicher auch ein paar Basler Promis auf», versichert Akin. «Barbara Schneider zum Beispiel hat schauspielerisches Talent.» Genauso stolz ist er auf seine Kontakte zu einflussreichen Personen der über zwanzig teils zerstrittenen politischen, religiösen und ethnischen Gruppierungen aus der Türkei.

Drehbuch in drei Teilen. Diese Kontakte sind nicht nur die Grundlage für Film-Drehbücher, sondern auch für Integrationsarbeit im realen Leben: Akin hat massgeblich die Dramaturgie entwickelt für den Einzug mehrerer türkischstämmiger Basler im vergangenen Herbst in den Grossen Rat und vor wenigen Wochen in den Bürgergemeinderat, der für grosses Aufsehen gesorgt hat. Das «Pilotprojekt» (Akin) begann, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, allerdings schon mit den Nationalratswahlen im Herbst 2003. Damals übernahm Akin, eben vom SF DRS-Korrespondentenposten in der Türkei zurückgekehrt, den Vorsitz der Sachgruppe Migration der SP. Die Stimmung in der Partei war gedrückt: «Fast alle glaubten, wir verlieren einen unserer drei Sitze, weil Basel seit der Volkszählung nur noch fünf statt sechs Nationalratssitze zustehen», erinnert sich Akin. – «Ich aber sagte: Den Sitz behalten wir.» Er lacht zufrieden.

Sein Rezept: die türkischen Vereine mobilisieren. Doch er erntete Skepsis. Bei der SP, weil sie schon vorher vergeblich versucht hatte, die türkischen und kurdischen Vereine zu gewinnen. «Wir hatten sie angeschrieben, und sie schrieben jeweils zurück, Basler Politik interessiere nicht, sondern was mit ihren Leuten in der Heimat geschehe», erinnert sich Akins Vorgänger Jan Goepfert. Als Remo Gysin, Anita Fetz und Rudolf Rechsteiner dann durch die Vereine tingelten, sei ihnen Skepsis entgegengeschlagen, sagt Akin: «Die SP kommt immer vor den Wahlen, macht Versprechen – und dann ist wieder Funkstille.»

Akin schlug vor: «Steigt bei den nächsten Wahlen selbst in die Politik ein, statt euch vertreten zu lassen.» Doch die Leute hätten nicht geglaubt, mit ihren Stimmen etwas bewirken zu können.

Als die SP dann ihre drei Sitze verteidigte, waren alle begeistert. «Er hat die Fähigkeit, seine Visionen zu leben und in die Realität umzusetzen», sagt Remo Gysin über Akin – ein «alter Freund», wie der Nationalrat betont. Die Vereine spürten plötzlich ihren Einfluss. Nun war der Weg frei für Teil II in Akins Drehbuch. Er brachte die Chefs der Vereine an einen Tisch – und motivierte sie, Kandidaten für die Grossratswahlen aufzustellen; vor allem junge aus der zweiten Generation. Andere Kandidaten stiessen von alleine dazu, engagierten sich und wurden gewählt. Die SP hat in den vergangenen zwei Jahren rund 200 türkischstämmige Mitglieder gewonnen. Teil III bei den Bürgergemeinderatswahlen war dann kein Kunststück mehr – nun nominierten auch die lange skeptischen kurdischen Vereine ihre Vertreter und wählten sie problemlos.

Der Ermöglicher. Für sich selber hat Akin kein Parlamentsmandat vorgesehen: «Ich bin lieber ein freier Mensch.» Sich im Korsett einer Fraktionsdisziplin Chefs und Beschlüssen unterordnen müssen – «das ist nicht meine Art, etwas zu bewegen», sagt Akin. Er sieht sich lieber als derjenige, der die Tanzfläche bereitstellt und die Party so organisiert, dass Stimmung aufkommen kann. «Ob und wie die Leute dann tanzen, ist nicht mehr meine Sache.» Aber wie die Tanzfläche aussehen soll, da will er sich nicht dreinreden lassen.

«Er weiss, was er will, schlägt manchmal ein forsches Tempo an», sagt Remo Gysin: «Damit ist er auch schon angeeckt.» Seine Ziele und Verdienste seien in der Partei aber nicht bestritten. Vor einigen Wochen hat Akin den Vorsitz der Sachgruppe Migration abgegeben: «In der Politik fehlt oft das Vertrauen. Beim Filmemachen kann ich ein Klima des Vertrauens schaffen.»

Ganz aufhören will er nicht. Er möchte die noch unerfahrenen Bürgergemeinderäte beraten: «Sie müssen lernen, wie es läuft in Politik und Gesellschaft.» Dies ist für Akin gelingende Integration: «Es braucht mehr, vor allem junge Leute, die Anliegen von Migranten vertreten können. Integrationspolitik kann nicht an den immer gleichen zwei bis drei Vermittlern hängen.»

Macht sich Akin also überflüssig? Nein: Über die bereits gut eingearbeiteten Grossräte, die selbstständig auf der politischen Bühne tanzen, plant er einen Dokumentarfilm.

İlgili Makaleler

Başa dön tuşu
error: Content is protected !!