Presse

Migranten gründen eine Lobby

Die «IG Mitenand» will Sicht der Betroffenen einbringen und Lösungen suchen

TIMM EUGSTER

Integrationspolitik werde noch viel zu stark für anstatt mit Migranten gemacht, kritisieren die Gründer der «IG Mitenand». Anstatt zu jammern, wollen sie sich nun auf allen Ebenen stärker einbringen.

«Mitenand»: Migranten verschiedener Herkunft, Secondos und sogenannte Einheimische vornehmlich aus Kirchen- und Gewerkschaftskreisen haben vergangene Woche gemeinsam eine Interessengemeinschaft gegründet. Stark vertreten sind türkeistämmige Basler: Koordinator der basisdemokratisch organisierten Plattform ist der Dokumentarfilmer Hüseyin Akin, der sich seit Jahren im Integrationsbereich engagiert und sich im Wahlkampf für die türkeistämmigen Grossräte eingesetzt hat.

Die «IG Mitenand» will als Lobby die Anliegen von Migrantinnen und Migranten egal welcher Herkunft vertreten. Gleichzeitig betonen die Gründungsmitglieder, dass sie nur für sich und nicht für alle «Zweiheimischen» sprechen können. Das runde Dutzend Aktive eint die Unzufriedenheit, dass zu oft über statt mit Migranten entschieden und politisiert werde › auch in Integrationsbereich. «Wenn an den bezahlten Stellen für die Gleichstellung von Frau und Mann fast ausschliesslich Männer beschäftigt würden, wären alle empört», so die Historikerin Isabelle Bopp mit bulgarischen Wurzeln: «Dass im Integrationsbereich meist Leute ohne Migrationserfahrung entscheiden, ist dagegen kein Thema.» Auf der untersten Hierarchiestufe oder als Freiwillige hingegen seien Migranten eher gefragt, so Bopp: «Obwohl es unter uns genügend qualifizierte Leute für einflussreichere Positionen gibt», betont Bopp.

LÖSUNGEN BIETEN. Nun will sich die IG Mitenand dafür einsetzen, dass real umgesetzt wird, was im Basler Integrationsleitbild seit sieben Jahren festgeschrieben ist: Dass die Integrationspolitik nicht von Problemen und Defiziten ausgehen, sondern das Potenzial der Migranten nutzen und Chancengleichheit verwirklichen soll. Für die «IG Mitenand» heisst dies: Migranten wollen nicht passive Objekte von Integrationsmassnahmen sein, die nicht immer den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechen › sondern auf allen Ebenen selber an Lösungen mitarbeiten. Diskutiert wird auch, ob die Forderung nach einer Migrantenquote in der öffentlichen Verwaltung erhoben werden soll, um die Gleichstellung voranzutreiben: «Wir sind mehr als ein Drittel der Basler Bevölkerung», betont Koordinator Akin.

Gemeinsam ist den Gründungsmitgliedern der Wille, nicht bloss zu fordern und zu jammern, sondern aktiv und «mitenand» Lösungen zu suchen › auch unbezahlt: «Wir werden Institutionen wie etwa Begegnungszentren an ihren eigenen Ansprüchen messen, klären, was funktioniert und was nicht und unsere Kompetenzen und Impulse einbringen», so Akin.

Einfluss nehmen will «Mitenand» auch auf die öffentliche Debatte. Die Abstimmung über das Ausländer- und Asylgesetz habe gezeigt, dass es den Migranten noch nicht genügend gelungen sei, ihre Anliegen verständlich zu machen, sagt SP-Grossrat Ugur Camlibel. Besonders schmerzt ihn, dass auch viele Linke den Verschärfungen zugestimmt haben. «Die Rechten nehmen Extrembeispiele, machen eine Kampagne gegen Missbrauch › und wir sind immer in der Verteidigungsposition», so Akin.

AGIEREN STATT REAGIEREn. Anstatt reagieren zu müssen, will «Mitenand» agieren: «Wir wollen den Dialog unter Einbezug aller politischen Lager verstärken und so veraltete und negative Vorstellungen über zugezogene Menschen verändern.» Auch in der öffentlichen Debatte und in den Medien kommen für die IG Mitenand noch wenig Migrationsexperten zu Wort, die aus eigener Erfahrung sprechen können. Als mögliche Formen, sich einzubringen, nennt Akin Begegnungs- und Diskussionsanlässe. Ein Budget dafür hat die IG allerdings bis jetzt nicht.

Die IG Mitenand ist per Mail zu erreichen über info@mitenand.com und per Post über «Mitenand», Postfach, 4005 Basel.

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